Alles Gewöhnungssache

Ich bin mehrfach gefragt worden, wie schnell man sich eigentlich an alles gewöhnt, denn obwohl Australien natürlich ein eigentlich eher westlich geprägtes Land ist, sind eben doch viele Dinge einfach anders als in Deutschland und Europa. Für mich fängt das Ganze bereits beim Geruch an, jemand, der viel reist, wird wissen was ich meine. Geht man beispielsweise in Deutschland in ein Einkaufszentrum und dann in den USA oder eben auch in Australien in eine Mall, dann riecht es einfach anders, ich kann noch nicht einmal genau sagen, worin der Unterschied besteht, es ist nur einfach anders. Wenn ich in Colac über die Murray Street, so etwas wie der Sunset Strip der Weltstadt Colac, gehe, dann riecht es anders als auf einer Straße in Hamburg mitten im Sommer. Bei mir hier im Busch ist es naturgemäß ohnehin anders als in der Großstadt Hamburg, denn Gerüche wie Abgase oder Industrie wird man hier nicht finden, hier riecht die Luft nach Natur, Eukalyptus und Wildnis. Gewöhnt man sich daran? Ja, tut man, sogar relativ schnell. In Hamburg beispielsweise habe ich in meinen Zwanzigern und auch in den letzten drei Jahren im Stadtteil Wandsbek gewohnt und dort gibt es eine Hefefabrik, die es schon zu Zeiten meiner Großeltern dort gab. Abhängig von der Windrichtung riecht die Luft in Wandsbek mehrere Tage pro Woche nach Hefe, so etwas gibt es hier natürlich nicht.

Thema Autofahren. Bekanntermaßen fährt man hier, ebenso wie in England, auf der “falschen” Seite und am Anfang muss man sich tatsächlich ein wenig konzentrieren, besonders beim Abbiegen und in den zahlreichen Kreiseln. Aber man gewöhnt sich sehr schnell daran, dass man hier rechts einsteigen muss und ich merke nach knapp zwei Jahren, dass ich tatsächlich einen Schreck bekomme, wenn ich in US-Serien sehe, wie dort die Leute auf der für mich mittlerweile falschen rechten Seite fahren. Tatsächlich wirken die inzwischen wie Geisterfahrer, dabei bin ich selbst fast 40 Jahren auf dieser Seite gefahren, der Mensch ist ein Gewohnheitstier.


Wenn ich spazierengehe, zumal mit Hund, bemerke ich, dass ich “anders” gehe als früher. Bin ich in Deutschland durch die Natur gelaufen, was ich tatsächlich oft und regelmäßig getan habe, dann war ich auf die Strecke und die Natur konzentriert, hier fokussiere ich mich eher auf den Weg selbst bzw. auf den Wegesrand. Denn besonders mit Hund muss man natürlich besonders in der Snake Season immer gucken, was dort so rumkriecht, man möchte ja, dass nichts passiert. Am Anfang fand ich diese Art sich durch die Natur zu bewegen, noch einigermaßen anstrengend, denn man muss deutlich konzentrierter agieren als in Deutschland, inzwischen habe mich an diese Art Spaziergang gewöhnt und es macht mir nichts mehr aus.

Apropos ausmachen. Wer Angst vor Krabbeltieren hat, der sollte tatsächlich lieber am Baggersee campen oder sich an der Ostsee eine Ferienwohnung mieten, denn so etwas gibt es hier natürlich. Ich kann mich erinnern, dass ich während meiner ersten Reisen nach Australien immer extrem darauf geachtet habe, wo ich hintrete, wo ich hinfasse, der erste Blick in eine Wohnung oder ein Haus ging an die Decke bzw. an die Wände, um diese nach eventuellen Eindringlingen abzusuchen, denn man kann sicher sein, dass irgendwann einer den Weg nach innen finden wird. Das mache ich heute nicht mehr, wäre wohl auch leicht paranoid. Ich hatte beispielsweise vor knapp einer Woche einen Huntsman als Besucher (ich habe ihn Klaus getauft), der hing in der Küche oberhalb eines Schranks. Ich wollte ihn natürlich einfangen und rausschmeißen, aber ich habe ihn nicht zufassen bekommen und er ist hinter den Küchenschränken verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Nun könnte ich mir tagelang die Fingernägel runterkauen und schlafose Nächte verbringen, aber das macht man tatsächlich nicht mehr, wenn man zwei Jahre im Busch gewohnt hat. Klaus ist, wo er ist (wenn ihn nicht Charlie inzwischen erwischt hat) und sollte er irgendwann wieder auftauchen, greife ich ihn mir. Bis dahin gilt er als Mitbewohner, ich weiß ja, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.

Man sieht, man gewöhnt sich an die Lebensumstände hier, man legt frühere Ängste ab, weil es gar nicht anders geht. Was ich mir allerdings gern bewahren möchte, und daran arbeite ich tatsächlich jeden Tag: Ich möchte mir immer bewußt sein, wo ich lebe, wie ich lebe, wieviel Glück ich habe, hier leben zu dürfen.

Was die politische Situation in Deutschland betrifft, hat die Wissenschaftlerin Dr. Anna Veronika Wendland ein hübsches kleines Gedicht auf  Twitter verfasst: 

Kinder, war’n das schöne Zeiten!
Brokdorf, Wendland, Startbahn West:
Diskutieren, kämpfen, streiten,
Unsre Demos war‘n die besten.
Wannen kippen, Mollies schmeißen,
Was im Weg steht niederreißen,
Steine schleudern, Latten schwingen,
Bitterböse Lieder singen.
Zwillen, Transpas, pfeifen, rempeln
Masten sägen, Stadt umkrempeln,
Uni schwänzen, Wald besetzen,
Gegen die Regierung ätzen.
Bullen jagen, Castor schottern,
bis die Großkonzerne schlottern
Scheiße werfen, Reifen plätten
Kämpfend den Planeten retten.
Faule Eier auf Minister
Ellenlanges Strafregister,
Tagessätze & Arreste,
Richter, Roben, Klagen, Knäste.
Wer war immer mit dabei?
Das Personal der Grünpartei.
Nun sind 30 Jahre um,
man sitzt im Ministerium.
Endlich was zu sagen haben,
Amt & Würde, Wache, Wagen.
Pläne, Pfründe, Geld & Macht,
Frauen schmachten, Graichen lacht.
Doch im Vierundzwanzger Jahr,
Früh im kalten Januar
Ist nach kaum 2 Jahren Wende
Plötzlich unser Geld zuende.
Fühlt das Volk sich schlecht regiert
An der Nase rumgeführt
Und benimmt sich gar nicht fein:
Brüllen, böllern, heiser schrein
Wüten, pfeifen, pöbeln, rempeln,
Und das ganze Land umkrempeln.
Traktorkorso und Blockade
Bahnstreik, LKW-Parade.
Und der jüngste Großaufreger
Ist das Volk am Fähranleger.
Habeck denkt: das ist nicht fair!
Doch wo hat das Volk es her?

[Anna Vero Wendland]

2 Kommentare zu „Alles Gewöhnungssache“

  1. Profikommentierender

    Ja, Australien ist schön, wenn man da im Urlaub ist.
    Als jemand mit Spinnenphobie könnte ich da aber nie dauerhaft leben (und wegen des australischen Sommers, mir(!) viel zu heiß), bin da mehr Typ Skandinavien oder Kanada 😉
    Aber schön, dass es für dich passt und du “dein Ding” gefunden hast!

    1. Schon irgendwie witzig, wie diese Mythen immer noch Verbreitung finden. Zuerst einmal kann ich behaupten, dass ich in meinem Haus in Hamburg garantiert mehr Spinnen hatte als hier im australischen Busch. Was den viel zu heißen Sommer betrifft: Australien ist ein Kontinent, der kleineste Festland-Bundesstaat Victoria, in dem ich lebe, ist ungefähr 3/4 so groß wie Deutschland. Die Entfernung zwischen Melbourne (ca. 140 km von mir entfernt) und Darwin im Northern Territory beträgt knapp 3.800 km, also 400 km weiter als die Distanz zwischen Helsinki und Barcelona. Würdest du sagen, dass dir die Sommer in Helsinki zu heiß und die Winter in Katalonien zu kalt sind? Hier bei mir im Süden herrschten gestern im Hochsommer 18 Grad, vergleiche das mal mit den Sommer-Temperaturen in Deutschland im letzten August.

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