Kein Weg zurück

Es gibt ein Lied von Wolfsheim aus dem Jahr 2003, das heißt “Kein zurück” und die erste Strophe beginnt so: “Weißt du noch wie’s war? Kinderzeit wunderbar…”. Wie ich darauf komme? Nun ja, immer mal wieder wird mir die Frage gestellt, ob ich mir vorstellen könnte, irgendwann zurückzukehren und wieder in meinem Heimatland zu leben und normalerweise lautet meine Antwort: “Warum sollte ich?”. Das Einzige, was mich noch mit Deutschland verbindet, sind meine Eltern und die sind Anfang bzw. Mitte 80. Wenn es meine Eltern irgendwann nicht mehr gibt, was hoffentlich noch sehr lange dauert, gibt es für mich nicht mal mehr einen Grund, nach Deutschland zu reisen, geschweige denn, dort zu leben. Hinzu kommt, dass mich absolut nichts in dieses Land zieht, das schon längst nicht mehr das Land ist, in dem ich eigentlich immer gern gelebt habe. Kinderzeit, wunderbar. Auch in den letzten Jahren in Hamburg habe ich mich nicht wirklich wohlgefühlt, zu einschneidend waren die gesellschaftlichen Veränderungen, zu spürbar war eine Art sozialer Niedergang, der immer mehr Fahrt aufgenommen hat. Ich weiß, dass jede (ältere) Generation dazu tendiert, Dinge aus der Vergangenheit zu idealisieren, den Spruch “Wir passen nicht mehr in diese Zeit” hat meine Großmutter in den 80er Jahren und meine Mutter seit spätestens 2000 geprägt und bei mir wäre es wahrscheinlich in wenigen Jahren auch soweit, würde ich noch in Hamburg leben.

 
Dieses Gefühl habe ich hier eben nicht, ich habe dein Endruck, dass ich hier genau richtig bin, zu genau der richtigen Zeit. Ich habe viel darüber gelesen, dass frühe Auswanderer, die ihr Glück in Spanien, auf Mallorca, in Portugal oder wo auch immer gesucht habe, später als ältere Leute wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind, die Gründe waren unterschiedlich. Die Einen wollten wieder näher an ihrer Familie, ihren Kindern leben, Andere wollten sich die angeblichen Vorzüge des deutschen Gesundheitssystems sichern, von dem unglücklicherweise nicht mehr viel übriggeblieben ist. Für mich, für meine persönliche Lebenssituation, existiert kein logischer Grund, wieder in Deutschland zu leben, denn warum sollte ich dahin zurück, wo ich mich in den letzten Jahre mehr und mehr unwohl gefühlt habe, wo sich inzwischen 98% aller Leute, mit denen ich kommuniziere, unwohl fühlen und unzufrieden sind. Und – das dicke Ende kommt erst noch. Ich bin froh, in den 60er und 70er Jahren aufgewachsen zu sein, mit den jungen Menschen in Deutschland möchte ich heute ums Verrecken nicht mehr tauschen, denn aus meiner Sicht zeigt der vorgezeichnete Weg nach unten. Dies gilt allerdings nicht nur für Deutschland allein, sondern betrifft viele andere Länder Europas ebenfalls. Der Rechtspopulismus ist befeuert durch eine komplett gescheiterte Einwanderungs-, Integrations- und Ayslpolitik auf dem Vormarsch und zwar flächendeckend. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem auf der einen Seite die AfD mitregiert, während auf der anderen Seite entfesselte Muslime offenen Antisemitismus predigen.


Dennoch stelle ich mir ab und zu die Frage, ob ich, außer meinen Eltern natürlich, etwas vermisse und wenn ich dabei auf so profane Dinge wie Krabbensalat, ab und zu mal ein Brötchen oder weißen Spargel verzichte, fällt mir nichts ein, im Gegenteil. Ich bin beispielsweise gern in der Natur und für Natur musste ich mich in Hamburg ins Auto setzen. Hier habe ich Natur satt, sobald ich die Haustür verlasse. Ich bin gern am Meer, dafür musste ich in Deutschland stundenlang über Baustellen-überflutete Autobahnen fahren, hier bin ich innerhalb von 30 Minuten am schönsten Strand der Welt und ich bin dort zumeist allein. Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich eben kein anderes Haus, keinen Zaun, keine vorbeihetzenden Menschen, sondern ich sehe einen Wald, meinen Wald. Vor einigen Tagen flog ein einmotoriges Flugzeug in relativ großer Höhe über mein Haus, das ist hier schon ein echtes Ereignis, während ich in meiner Zeit in Poppenbüttel startende und landende Maschinen im Minutentakt beobachten (und hören) konnte. Nein, ich vermisse wirklich nichts, sondern ich habe hier soviel mehr, worauf ich Wert lege, als in Hamburg.

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