Mir sind in den letzten zwei Wochen zwei bemerkenswerte Sachen passiert und ich dachte mir, sie sind es wert, dass ich darüber berichte, denn es sind Ereignisse gewesen, die so wahrscheinlich nur in Australien passieren oder anders ausgedrückt: In Deutschland ist mir so etwas nie passiert. Vor einiger Zeit ging ich morgens mit Klein-Chandu (inzwischen ausgewachsen und 48 kg „leicht“) hier auf meiner Straße spazieren, wir wollten die Kühen und Pferde besuchen, von denen er offenbar glaubt, das eine wären Hunde mit Hörnern und das andere sind ziemlich große Hunde, auf denen man sitzen kann. Jedenfalls ist er immer ganz begeistert, wenn er sie sieht, ungefähr so lange, bis eine der Kühe ihm durch den Zaun über die Nase leckt, das findet er dann unheimlich. Anyway, wir gingen also auf unserer gravel road, auf der einem nicht wirklich oft ein Auto begegnet und plötzlich kommt ein ziemlich alter roter Ute (die nennt man in den USA Pickup Truck) auf dem Weg angetuckert. Natürlich gehen wir zur Seite, aber der Ute hält an. Scheibe geht runter und ein älterer Herr guckt mich grinsen an. „Das ist aber mal ein wirklich schöner Hund, den du da hast“. Ich bedanke mich und Chandu freut sich. „Ich hatte auch mal einen Ridgeback/Great Dane-Cross, ein großartiger Junge“. Mittlerweile hatte der Mann ( er stellte sich später als George heraus) den Motor ausgestellt, mitten auf der Straße. „Wie geht’s dir, Kumpel?“. Ich erklärte, dass es mir gut gehen würde und wir unseren Morgenspaziergang machen würden. „An deinem Akzent höre ich, dass du nicht aus Australien kommst. Woher stammst du, mate?“ Er erzählte, dass ich aus Deutschland kommen würde und seit drei Jahren hier in den Otways leben würde. „Eine unvergleichlich schöne Ecke, oder? Ich komme aus Neuseeland und bin jetzt seit 30 Jahren hier“.
Um es kurz zu machen, wir haben uns am Ende bestimmt 30 Minuten unterhalten. Ich habe gelernt, dass George ein Jahr in Holland gelebt hat, dass seine Nachbarn vor kurzem in Berlin und komplett erschüttert über die Umstände dort waren, dass er mit einer Niederländerin verheiratet ist und 1000 andere Details. Aber George erzählte eben nicht nur von sich, sondern fragte mich auch ständig. Besonders komisch war es, als er mich nach meinem Namen fragte. Ich sprach den Namen in der „deutschen Version“ aus und George lachte. „Ist es okay, wenn ich dich mate nenne?“ Klar, jeder nennt hier jeden mate (Kumpel). Nach einem extrem netten Gespräch startete George seinen alten roten Ute, wir wünschten uns einen schönen Tag und erfuhr davon. In 57 Jahren in Deutschland habe ich so etwas nie erlebt.
Zweite Geschichte. Gestern waren Chandu und ich zum Morgenspaziergang auf einem von unseren Lieblings-Tracks in Gellibrand und fuhren wieder zurück nach Haus. Plötzlich sah ich am rechten Straßenrand einen alten Mann durch den Busch irren. Lange graue Haare, langer grauer Bart, nur mit einem roten Jumper, aber ohne Hosen und Schuhe bekleidet. Nun, wir haben Sommer und kein Australier würde in dieser Zeit barfuß durch den Busch laufen, es sei denn, er ist auf einer Selbstmord-Mission. Ich fuhr weiter, aber als ich in Gellibrand angekommen war, hielt ich am Store, weil ich weiß, dass dort am Dienstag morgen immer einige Leute sitzen, die ich kenne. Ich ging also hin und erzählte die Geschichte. Zuerst wurde gelacht, aber als ich nicht mitlachte, wurde es stiller. „It’s not you business, mate“ sagten einige, aber ich erwiderte, dass es sehr wohl zu meinem „business“ werden würde, wenn man nächste Woche einen toten Opa im Busch findet und ich, wenn ich davon erfahre, mir Vorwürfe machen würde, dass ich nichts unternommen habe. Inzwischen stimmten mir die Australier zu. Ich fuhr nochmal zu der Stelle, an der ich den offensichtlich desorientierten Mann gesehen hatte, zurück, aber er war nicht mehr da. Einige Forstarbeiter, die wenigen Hundert Meter weiter Bäume fällten, hatten ihn auch nicht gesehen. Ich entschied also, die 20 km nach Colac zu fahren und die Polizei zu informieren. Ein Constable, der aussah wie Prinz Harry, lachte ebenfalls zuerst, aber nachdem ich entgegnete, dass ich das nicht witzig finden würde, gab er mir recht und nahm alles auf. Eine Kollegin meinte, es würde aktuell niemand vermisst werden, aber es leben durchaus Menschen hier allein (so wie ich), deren Verschwinden erst nach Tagen oder Wochen auffallen würde. Nun ja, ich habe keine Ahnung, was aus der Geschichte wird, aber ich kann zumindest für mich sagen, dass ich alles getan habe, was ich konnte.