Dark Day

Es war vorausgesagt worden, aber am Ende wurde es schlimmer als befürchtet. In den letzten Tagen des Winters 2024 ist über großen Teilen Victorias eine Sturmfront gezogen, die vieles in den Schatten gestellt hat. Ich habe bereits einige Stürme hier im Wald mitgekriegt, aber das hatte diesmal eine besondere Qualität. Es ging am Mittwoch Nachmittag los, in der Nacht zum Donnerstag war es dann so laut, dass man dachte, es fährt über mehrere Stunden ein Hochgeschwindigkeitszug durch den Garten. Dies hat natürlich einen Grund: In Australien sind auch im Winter die meisten Bäumen, besonders die Gumtrees, voll belaubt, im Gegensatz zu Deutschland beispielsweise. Wenn es dort einen Herbst- oder Wintersturm gibt, trifft der Wind zumeist auf kahle Bäume, hier nicht. Nächste Folge dieses Umstandes – die hohen belaubten Bäume sind durch ihr Laub natürlich deutlich anfälliger, was sich hier bei uns am nächsten Tag zeigte, ich habe in meiner ganzen Zeit hier noch nie eine Karte gesehen, auf der so viele umgestürzte Bäume zu erkennen waren (siehe Bild), VicEmergency ist eine App, die Bewohner vor Gefahren und Hindernissen warnt und diese App piepst im Grunde seit Mittwoch fast durchgehen. Man muss sich einmal die Dimensionen vorstellen: Es war hier während des Sturms so laut, dass ich nicht einmal gehört habe, dass ein ca. 15 Meter hoher Baum knapp 10 Meter neben meinem Haus umgeknickt ist, zum Glück für mich nicht auf’s Haus.

Doch nicht nur die Schäden auf den Straßen waren diesmal erheblich, natürlich haben auch die Stromleitung etwas abbekommen, das lässt sich in einem Waldgebiet trotz ständiger Überwachung nicht vermeiden. Dies hatte zur Folge, dass am Mittwoch gegen 14 Uhr der Strom ausfiel. Nichts Besonderes, das habe ich schon einige Male erlebt und normalerweise kriegen die Australier das innerhalb von 1 bis 2 Stunden wieder hin. Auch diesmal bekam ich, wie immer, innerhalb von 5 Minuten eine SMS von Power Australia, dass man schätze, den Schaden in ca. 2 Stunden behoben zu bekommen. Pustekuchen. Die nächste Mitteilung erklärte, man wolle versuchen, die Haushalte bis 20.30 wieder mit Strom zu versorgen, was allerdings Mumpitz ist, denn ab 19.00 Uhr ist es hier stockduster, was bedeutet, dass man nicht mehr im Freien arbeiten kann. Nun, lange Rede, kurzer Sinn – ich hatte alle meine inzwischen leeren Geräte angeschlossen und war in der Hoffnung, am nächsten Morgen mit voll aufgeladenem Handy starten zu können, ins Bett gegangen, doch als ich am Donnerstag gegen 5 Uhr aufwachte, hatte ich nur eines: Vollkommene Finsternis. Zum Glück habe ich ganz am Anfang meiner Zeit hier auf den Rat meines Freundes Bob gehört, der mir vor über zwei Jahren sagte: „Egal, was du tust, kaufe dir so schnell wie möglich eine Taschenlampe. Am Besten eine, die du über USB aufladen kannst.“ Habe ich gemacht und das Teil hat mich gerettet, denn als Chandu und ich am Donnerstag morgen aufstanden, hatte ich außer der Lampe nichts. Kein Wasser (weil die Pumpe elektrisch betrieben wird), kein Strom, keine Dusche, kein Handy (inzwischen leer), kein TV, kein Internet, nichts.

Was macht man in so einem Fall im australischen Busch? Man macht das Beste draus. Ich habe also den Wood Heater angefeuert, damit wir es wenigstens warm haben. Dann haben wir im Licht der Taschenlampe ohne Kaffee gefrühstückt und darauf gewartet, dass es hell wird. Immer wieder erstaunlich, wie hilflos man ohne elektrischen Strom ist. Gegen 8 Uhr bin ich dann zu Bob gefahren, der zwar auch keinen Strom hat, dafür aber eine Tesla Wallbattery. Ich habe mir seine Powerbank für mein Handy geliehen und habe  noch gefragt, ob er gestern auch diesen Wahnsinnigen gehört hätte, der bei diesem Sturm mit einem Hubschrauber in geringer Höhe über den Otway National Park geflogen war. Daraufhin meinte Bob: „Hast du das nicht gehört? Gestern (also Mittwoch) ist unten in Gellibrand ein Mann in seinem Auto von einem Baum erschlagen worden. Die Beifahrerin mussten sie aus dem Auto schneiden und mit dem Heli nach Geelong fliegen, aber der Fahrer war sofort tot“. Gellibrand ist von mir aus gesehen der nächste kleine Ort, ich hole meine Post dort im Office ab und ich war die gleiche Straße, auf der dieses tragische Unglück passierte, wenige Stunden zuvor selbst noch gefahren.

Nun, am Donnerstag gegen 14.30 Uhr hatten wir wieder Strom und er hält auch heute (Freitag) noch, obwohl gerade der nächste Sturm über die Otways fegt. Teilweise sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld, aber als Neu-Australier habe ich gelernt, das Beste aus allem zu machen und das Beste in diesem Fall ist: Durch den umgestürzten Baum habe ich einen Teil des Feuerholz‘ für den nächsten Winter bereits sicher, ich muss ihn nur noch zerkleinern und hacken. Morgen fahre ich Tillie besuchen und bringen den Leuten im Shelter eine Überraschung mit, ich berichte dann.

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