Colac

Bekanntermaßen wohne ich in einem nicht existierenden Ort namens Kawarren, denn den Ort Kawarren gibt es nicht. Es ist vielmehr eine Art Landkreis, eine Ansammlung von Gehöften und einzelnen Häusern auf zumeist riesigen Grundstücken inmitten des Great Otway National Parks. Die nächste sogenannte Ortschaft ist Gellibrand, ca. 4 km von mir entfernt. Hier gibt es einen Bottleshop, der nebenbei auch als Post Office fungiert, ein Hotel mit Restaurant, eine Kunstgalerie, welche von Bob’s Frau Deb betrieben wird und einen Campingplatz. Das war’s. Zum Einkaufen, für Behördengänge oder Reparaturen muss ich demnach reisen, also nach Colac fahren, welches ungefähr 20 km nördlich von mir liegt. Ich fahre also die Frys Road, an der ich wohne runter (im Winter matschig, im Sommer staubig), biege rechts auf die Colac Lavers Hill Road ab, stelle den Tempomat auf 80 km/h und schalte ihn erst dann wieder ab, wenn kurz vor dem Colac -Vorort Elliminyt das Schild mit 60 km/h erscheint. An den meisten Tagen begegne ich auf meiner Fahrt nach Colac bestenfalls 3 oder 4 anderen Autos, in der Ferienzeit ist es dann deutlich mehr.

Colac ist das, was man in Deutschland als „Nest“ bezeichnen würde, aber ich mag Colac sehr, denn man hat hier alles, was man braucht und es hat trotzdem seinen ländlichen Kleinstadtcharme erhalten. Colac hat ca. 12.000 Einwohner, liegt knapp 150 km westlich von Melbourne am wunderschönen Lake Colac und man lernt Colac innerhalb weniger Monate gut kenne, selbst dann, wenn man nur einmal in der Woche hinfährt. Wie gesagt, Colac hat alles, was man braucht. Einen Aldi, einen Coles, Woolworth, viele Handwerksunternehmen wie Klempner etc., Banken und sogar Restaurants. Mein Lieblingsrestaurant ist das „Golden Sky“, ein Inder, der in einem ehemaligen Bankhaus angesiedelt ist. Wenn ich dort bin und irgendwie immer das Gleiche esse, spiele ich neben dem Essen mit Raji, dem ältesten Sohn der Besitzerfamilie, Raji ist ungefähr 3 Jahre alt und liebt die Papierflieger, die wir zusammen durch das zumeist leere Restaurant fliegen lassen, denn die meisten Einwohner von Colac lassen liefern. Das „Golden Sky“ liegt am Sunset Strip von Colac, der Murray Street. Hier sind die meisten Restaurants, die Banken und viele Geschäfte angesiedelt, denn die Murray Street ist Teil des Princess Highway, der tatsächlich von Sydney in New South Wales über Melbourne in Victoria bis Adelaide in South Australia führt, 2.256 km eingesamt.

Was kann man über Colac noch sagen? Es gibt in ganz Colac nicht ein Haus mit mehr als einem Obergeschoss, die meisten Häuser sind eingeschossige Einzelhäuser. Colac hat einen niedlichen botanischen Garten, dessen größte Attraktion die fliegenden Füchse sind, die tagsüber kopfüber an verschiedenen Bäumen hängen und seltsame Geräusche von sich geben. Was mir besonders aufgefallen ist: Wo immer man hinkommt, sei es im Supermarkt, beim Friseur oder bei irgendeiner Behörde, die Menschen sind sagenhaft freundlich und hilfsbereit. In meiner gesamten Zeit hier ist mir noch nie jemand doof gekommen oder hat eine Frage respektlos beantwortet. Die Menschen scheinen hier sehr gut miteinander auszukommen und sind in ihrer Gesamtheit wirklich glücklich, hier zu leben, wenn Colac natürlich im Vergleich zu Melbourne nicht so viel zu bieten hat. Colac ist eine dieser tpischen australischen Kleinstädte auf dem Land und repräsentiert für mich im Gegensatz zu den Weltstädten Sydney und Melbourne das „wahre Australien“, hier spielt sich das wirkliche australische Leben ab, das ich inzwischen mehr zu schätzen gelernt habe als das deutsche Großstadtleben in der Millionenstadt Hamburg. Sicher, wenn man als junger Mensch Dinge wie Bars, Clubs, Szene und Action braucht, ist man hier falsch, aber wenn man all das tausendmal gehabt und hinter sich hat, lebt man nirgendwo zufriedener als im australischen Busch. 

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen