What do you miss?
Es kommt öfter vor, dass mich sowohl Bekannte, Freunde und Familie aus Deutschland, aber auch Australier fragen, ob ich etwas vermisse und wenn ja, was es ist. Die Antwort darauf fällt zumeist ebenso kurz aus wie die Liste der Dinge, die ich tatsächlich vermisse, kurz ist. Logisch, ich vermisse meine Eltern, die nach wie vor in Hamburg leben. Ich würde als Norddeutscher gern mal wieder Krabbenbrötchen oder Spargel im Juni essen und gern würde ich auch mal wieder meinen Lieblings-Portugiesen besuchen, genauso wie Kyios Ramen-Bude in Ottensen (Übrigens sehr empfehlenswert, das Takumi). Aber ansonsten? Nein, eigentlich vermisse ich wirklich nicht viel, denn ich habe hier alles, wovon ich nie zu träumen gewagt habe. In Hamburg lebte ich, bevor ich die letzten drei Jahre nach dem Verkauf meines Hauses auf 42 qm hauste, auf einem Grundstück mit 420 qm, mein jetziger Block hat nicht weniger als 24.000 qm. Wenn ich eingekauft habe und nicht das Bedürfnis verspüre, das Grundstück zu verlassen, sehe ich eine Woche lang keinen Menschen, meine nächsten Nachbarn wohnen mindestens 300 m entfernt. Wenn ich im Garten bin, höre ich zumeist – nichts. Keine Autos, keine laute Musik, keine brüllenden Menschen, ein Flugzeug am Himmel ist ein echtes Ergebnis, wenn, ist es eine kleine Propellermaschine. Ich höre die Vögel zwitschern und ich höre die Blätter im Wind. Obwohl ich gern Musik höre, nehme ich meinen Bluetooth-Speaker nur selten mit in den Garten, weil ich diese Ruhe mag. In Hamburg gab es eigentlich rund um die Uhr einen permanenten Lärm- oder Geräuschpegel, hier nicht. Für mich ist dieser Zustand jeden Tag wieder ein Urlaub für die Seele.
Fühlst du dich nicht manchmal einsam? Klare Antwort: Nein. Ich mag es, allein mit meinen Jungs zu sein und wenn ich meine, mich unterhalten zu müssen, besuche ich Jeff und Helen nebenan, störe Brian beim Renovieren 300 m den Berg runter, besuche Bob auf einen Kaffee oder ich fahre nach Gellibrand oder Colac und setze mich irgendwo hin, auf ein Gespräch muss man nirgendwo länger als 5 Minuten warten, wenn man es denn braucht. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich knapp 30 Jahre in der Medienbranche gearbeitet habe, mein Bedarf an menschlichen Kontakten ist wahrscheinlich für zwei Leben gedeckt. Und der absolute Luxus für mich: Ich kann entscheiden, wenn ich mit irgendjemandem interagieren möchte, niemand kann mich zwingen, niemand schreibt es mir vor. In Hamburg war ich gezwungen, mich fast immer mit jemandem zu beschäftigen und in den meisten Fällen war dies einigermaßen spaßbefreit. Hinzu kommt, dass ich an einem Ort lebe, von dem aus ich relativ schnell zu spektakulären Gegenden komme. Ich könnte jetzt losfahren und bin ich 20 Minuten auf dem Fußmarsch zu einem der nahegelegenden Wasserfälle. Die Twelve Apostles sind knapp 45 Minuten entfernt, Johanna Beach 30 Minuten. Ich könnte innerhalb von 30 Minuten einen Spaziergang durch die Red Wood Wälder in Forrest machen oder, wenn ich es denn brauche, in 1 3/4 Stunden in Melbourne sein. Und mal ehrlich – das soll ich gegen ein Leben in Hamburg eintauschen?
Gleichzeitig versuche ich mir tagtäglich eine gewisse Demut zu erhalten und die Umstände, in denen ich lebe, niemals als selbstverständlich zu sehen. Machen wir uns nichts vor, ich lebe dort, wo viele Menschen, auch Australier, gern einmal in ihrem Leben Urlaub machen würden, es sich aber nicht leisten können. Ich lebe auf einen riesigen Grundstück, habe meinen eigenen Wald und Platz ohne Ende, während sich die meisten Menschen auf engstem Raum drängeln und von ihren Nachbarn, von denen die sie nur durch eine dünne Wand oder einen Zaun getrennt sind, genervt sind. Ich habe meine eigenen Obstäume, meine Jungs, meine Gewächshäuser und ich habe meine Ruhe. Mehr brauche ich nicht.